bdsh: Nach den Beschlüssen zu Sondervermögen sowie Reform der Schuldenbremse muss die angehende Koalition einen ausgewogenen und kalkulierbaren Fahrplan beim Ausbau der Erneuerbaren vorlegen, der Klarheit schafft, Arbeitsplätze im Solarhandwerk sichert und neue Potenziale erschließt. Die Absenkung von Netzentgelten und Strompreisen hingegen gefährdet Existenzen im Solar-Mittelstand.
In der Solarwirtschaft arbeiten derzeit 100.000 Beschäftigte, seit dem Jahr 2020 konnte diese Zahl verdoppelt werden. Gerade in den zurückliegenden Boom-Jahren 2022/2023 konnte die Zahl der im Solarhandwerk arbeitenden Menschen signifikant erhöht werden. Wir vertreten damit einen an sich sehr dynamisch entwickelnden Wirtschaftszweig, der sich parallel zum steigenden Anteil des Solarstroms beim Ausbau der Erneuerbaren Energien entwickelt.
Allerdings: Der in 2024 registrierte Zubau von Solaranlagen ging an den mittelständischen Solar-Handwerksbetrieben vorbei, da dieser in erster Linie über Groß- und Freiflächenanlagen realisiert wurde. Die Nachfrage im Bereich von Kleinanlagen ist im gleichen Zeitraum eingebrochen – maßgeblich verantwortlich hierfür waren und sind die andauernden politischen Diskussionen rund um die Zukunft der Förderung des erzeugten Solarstroms. Diese verursachen vor allem bei Privathaushalten eine erhebliche Kaufzurückhaltung. Mit erheblichen Konsequenzen für den Solar-Mittelstand, der sich derzeit mitten in einer Konsolidierungsphase befindet. Gerade in dieser Phase setzt sich der bdsh mit seinen Mitgliedern für neue qualitative Maßstäbe im Solarhandwerk ein.
Die aktuell in der Phase der Koalitionsbildung diskutierten und im Sondierungspapier vorgeschlagenen Absenkungen von Stromsteuern und Netzentgelten leisten dieser Verunsicherung weiter erheblichen Vorschub. Denn mit diesen Absenkungen besteht die Gefahr, dass dem Markt (im Privat- und Gewerbebereich) die Motivation genommen wird, in Erneuerbare Energien/Photovoltaikanlagen zu investieren. Damit hätte die neue Koalition ihrem eigentlichen Ziel (nämlich Erneuerbare Energien weiter auszubauen) einen Bärendienst erwiesen. Denn ohne diese Investitionen in lokal produzierten sowie verbrauchten Strom werden Klimaziele bzw. Klimaneutralität bis 2045 nicht realisiert werden können.
Daraus ergeben sich aus Sicht des bdsh folgende Konsequenzen für die politischen Diskussionen der neuen Regierungsparteien:
- Um den Kurs beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren festzulegen, sollte die neue Bundesregierung zusammen mit dem neuen Deutschen Bundestag und Branchenvertretern zügig in einen Dialog eintreten. Dieser beinhaltet eine Bestandsaufnahme und ggfs. ein Reset der bisherigen (Förder)-Maßnahmen für unsere Branche. Dann kann ein stimmiger und ausgewogener Fahrplan für die nächste Legislaturperiode entwickelt werden, dem entsprechende Gesetzesinitiativen folgen.
- Es muss auf vorschnelle und undurchdachte Signale verzichtet werden, die die oben beschriebene Verunsicherung und Kaufzurückhaltung weiter festigen. Im Gegenteil: Im Sinne der Stärkung des Wirtschaftsstandortes, der an der Realisierung der Energiewende maßgeblich beteiligten Unternehmen (wie im Solarhandwerk) und des Erreichens der Klimaziele sollte ein Bekenntnis der Koalitionäre zu einem schnelleren und nachhaltigeren PV-Ausbau erfolgen.
- Endverbraucher und Unternehmen investieren in PV- und Speichersysteme auch aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität und langfristigen Rentabilität. Diese dringend benötigten Investments würden durch eine Reduktion von Stromsteuer und Netzentgelten verdrängt, die ohnehin über die Sondervermögen schuldenfinanziert wäre.
- Die pauschale Absenkung der Netzentgelte/Stromsteuer ist das falsche Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen wiederherzustellen. Denn für die (energieintensive) Industrie gelten ohnehin Ausnahmen. Auf diese Unternehmen hat diese Maßnahme folglich keinerlei Effekt. Der bdsh tritt für eine Ausweitung bzw. Verlängerung dieser Regelungen einer Strompreiskompensation auf weitere Branchen an.
- So spricht sich der bdsh zur Sicherstellung einer langfristigen Planungssicherheit für Unternehmen für eine langfristige Deckelung der Netzentgelte für Unternehmen aus. Darüber hinaus sollten Übertragungsnetzentgelte für diejenigen Betriebe halbiert werden, die netzdienliche EEG-Anlagen und/oder Speicherkapazitäten installieren.
- Die Strompreise für private Haushalte befinden sich derzeit unter dem Niveau vor Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine. D.h., das sich auch in Anbetracht dessen kein unmittelbarer Handlungsdruck zur Absenkung der Strompreise für Privathaushalte ergibt. Eine Senkung der Netzentgelte und der Stromsteuer würde erwiesenermaßen ohnehin nur teilweise an Endverbraucher und Unternehmen weitergegeben, so dass die avisierte „Entlastungsmaßnahme“ eher zu einer Finanzierung von zusätzlichen Gewinnen von marktbeherrschenden Stromerzeugern durch öffentliche Schulden beitragen würde.
- Unsere Mitgliedsbetriebe sind vor allem auch im ländlichen Raum angesiedelt. Sie stellen – gemeinsam mit anderen Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien – einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar. Die gerade hier erzeugten Wachstumsimpulse würden durch die Reduktion von Netzentgelten und Stromsteuer nicht nur gehemmt, sondern es stünden tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.
- Der für die Transformation des Stromsystems dringend notwendige Netzausbau wird im System große Herausforderungen verursachen. Hier können durch Digitalisierung sowie gezielte Anreizung von Eigenerzeugung- und Eigenverbrauchsoptimierung von PV-Strom enorme Kosteneinsparungen erreicht werden. Denn: Jede lokal erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde spart überregionalen Netzausbau. Belastungen des Eigenverbrauchs sowie der Einspeisung durch Netzentgelte gilt es auch vor diesem Hintergrund zu verhindern. Zudem ist der Smart-Meter-Rollout für mehr Intelligenz im Netz und zur Verschiebung von Lasten zwingend zu beschleunigen.
- In der Konsequenz muss ein Schwerpunkt der nächsten Legislaturperiode auf dem Ausbau und der Befähigung der Netzinfrastruktur liegen. Mit ihr steht und fällt eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaziele. In Bezug auf das Solarhandwerk bedeutet das: Die hier vorhandenen Potenziale sollten nach der “Durstphase” 2024 wieder in den Fokus rücken. Damit würden Arbeitsplätze gesichert und innovative mittelständische Betriebe gestärkt.
Fazit: Wir erwarten von der angehenden Regierungskoalition aus Union und SPD, dass sie plan- und kalkulierbare Weichen stellt, die die eingangs genannte Verunsicherung beenden.
Bereits im Sondierungspapier haben sich Union und SPD zu einem zügigen Ausbau der Erneuerbaren bekannt. Das Erreichen der Klimaneutralität 2045 hat durch die Beschlüsse der vergangenen Woche an Verbindlichkeit gewonnen. Dieses begrüßt der bdsh ausdrücklich. Mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrages müssen hingegen deutliche Signale ausgesendet werden, dass die Energiewende nur dann umgesetzt werden kann, wenn auch private Investitionen getätigt und Anreize für Unternehmen geschaffen werden, um ebenfalls in die Erzeugung von PV-Strom zu investieren.